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Die F-Gase Verordnung – eine gewaltige Herausforderung für die Branche
11. September 2015 -
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Ob in der Automobil-, Chemie-, Bau- und Lebensmittelindustrie oder sogar in der IT-Branche: Die F-Gase-Verordnung Nr.517/2014 der europäischen Union ist derzeit in aller Munde und wird kontrovers diskutiert. Hier hat die sonst doch sehr behäbige EU-Bürokratie einmal knallharte Fakten geschaffen und zwingt alle Nutzer, Betreiber und Verarbeiter zum kurz- oder mittelfristigen Handeln. Alternativen sind rar und vor allem die RZ-Branche steht vor einer gewaltigen Herausforderung – doch wie bewältigt man sie am besten?

Die Geschichte eines Verbots

Es ist sicher am sinnvollsten, dieses Thema mit der grundsätzlichen Frage zu beginnen: Was sind F-Gase überhaupt und wofür werden sie genutzt? Bei F-Gasen handelt es sich um fluorierte Treibhausgase, die unter anderem als Treibmittel für Schäume, Dichtmittel, Reinigungsmittel oder auch in Kältemitteln verwendet werden.

Als Kältemittel sind F-Gase besonders für die IT-Branche und dabei vor allem für Rechenzentren von Bedeutung, da sie der Kühlung und Klimatisierung von Hardware dienen.

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Bis in die Mitte der 1990er Jahre wurden F-Gase bedenkenlos als Kältemittel in Rechenzentren verwendet. Mit dem Beschluss des Montreal-Abkommens entwickelte sich allerdings ein Umdenken: Mit diesem Zeitpunkt herrschte Klarheit darüber, dass synthetische Kältemittel sowohl die Ozonschicht schädigen als auch für den Treibhauseffekt verantwortlich sind. In einem ersten Schritt verbot man ab 1998 daher die „Universalkältemittel“ R22 und R12. Das Ausstiegsszenario sah damals allerdings eine Zeitspanne von 17 Jahren vor, sodass diese Kältemittel erst gegenwärtig aus dem alltäglichen Betrieb verschwinden. Auch den vermeintlichen Alternativen ging es im Zuge der weiteren Klimagipfel in Kyoto und den Nachfolgetreffen an den Kragen: Seit diesem Jahr sind die Ausstiegsszenarien für R404A, R407c, R410A und R134a beschlossene Sache.

Doch das Verbot der Alternativen zu R22 und R12 birgt Probleme: Der Markt sieht sich vor vollendete Tatsachen gestellt, das Ausstieg soll in einem verhältnismäßig straffen Zeitrahmen erfolgen – erste Maßnahme greifen mit sofortiger Wirkung, weitreichendere treten 2020 in Kraft. Alternativen sind außerdem Mangelware: Synthetische Kältemittel oder deren Mischungen erfüllen nie vollständig die Forderungen der F-Gase-Verordnung und werden daher nur kurzlebig sein. Natürliche Kältemittel wie Ammoniak, Propan, Butan, Wasser oder CO² bergen Nachteile in der Energieeffizienz bzw. im Umgang mit ihnen, sodass auch ihre Zukunftsfähigkeit in Frage gestellt ist.

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Welche Auswirkungen ein solches Kühlungsproblem in unserer heutigen Zeit mit sich bringt, ist leicht nachvollziehen: Das moderne Kommunikationszeitalter verlangt die ständige Verfügbarkeit der Medien und ihrer Nutzer. Dies führt natürlich zu einem steigenden Bedarf an Rechnerkapazität, schnelleren Netzen und einem gewaltigen Speichervolumen. Rechenzentren müssen diesen Bedarf zu decken versuchen und ihre Anzahl, Größe und ihr Leistungsbedarf steigt klarerweise proportional zu diesen Ansprüchen. Neben einem beachtlichen Energiebedarf für die IT müssen auch eine hohe Leistungsfähigkeit der Infrastruktur und damit natürlich auch die notwendige Wärmeabfuhr mittels Kühlung sichergestellt sein.

Das Problem mit den Alternativen

Viele Rechenzentrumsbetreiber haben ihre Wurzeln im amerikanischen Raum und viele Kühlkonzepte folgen daher der dort gängigen Philosophie. Das bedeutet, dass zumeist die traditionelle mechanische Kühlung mit angeschlossenen Kühltürmen gewählt wird. Dank Sick-Building-Syndrom handelt es sich bei diesen inzwischen um geschlossene Kühltürme, das Konzept ist allerdings gleich geblieben. Aus Kosten- und Platzgründen entwickelte sich parallel das Konzept des kompakten, luftgekühlten Kaltwassersatzes, doch auch dieses arbeitet mit mechanischer Kühlung. In beiden Varianten gibt es nun einen Kältemittelkreislauf, welcher einem Medium (hier dem umlaufenden Wasser) die Wärme entzieht – und in diesem Kältemittelkreis sind auch die verschiedenen F-Gase am Werk, deren Tage nun gezählt sind. Damit beginnen nun auch die Sorgen des RZ-Betreibers. Denn nach dem Motto „Altes raus, Neues rein“ zu verfahren, ist, wie oben beschrieben, kaum möglich. Welche alternative Kühlmethoden es gibt und mit welchen Problemen diese im Einzelnen verbunden sind, werde ich im Folgenden näher erläutern:

Synthetische Ersatzkältemittel:

Es gibt derzeit keine langfristige Alternative zu synthetischen Kältemitteln. Synthethische Ersatzkältemittel haben mitunter andere chemische Zusammensetzungen und damit veränderte Wirkungsgrade, Einsatzgrenzen und thermisches Verhalten. Dies verträgt sich unter Umständen nicht mit bereits installierten Komponenten und beeinflusst teilweise die Materialverträglichkeit.

Natürliche Kältemittel:

Die oben bereits erwähnten natürlichen Kältemittel haben einige gravierende Eigenschaften, welche unter anderem die Sicherheit im Rechenzentrum beeinträchtigen können. Ammoniak ist beispielsweise toxisch und reagiert heftig mit Kupfer. Dies macht eine lückenlose, permanente Leckageüberwachung und geeignete Schutzmaßnahmen unerlässlich.

Propan, Propylen oder Butan sind jedem vom Campingkocher oder Grill bekannt. Deshalb weiß auch jeder, dass diese Gase leicht entzündlich sind. Die Berufsgenossenschaft begrenzt bei diesen Mitteln deshalb die Füllmengen. Dadurch sind sie höchstens für kompakte, luftgekühlte Kaltwassersätze in Außenbereichen geeignet, die jedoch nicht sehr energieeffizient sind.

Wasser wird bereits in einigen Pilotprojekten als Kältemittel getestet, allerdings rechtfertigt der technische Aufwand niemals ein betriebswirtschaftliches Ergebnis. Kleinere Anwendungen in Serienreife zwischen 45 und 90 kW kommen gerade auf den Markt, aber erst mit steigender Nachfrage werden diese im Hinblick auf die Investitionskosten auch attraktiv.

Hinzu kommt: Alle genannten natürlichen Kältemittel arbeiten im Wirkprinzip der mechanischen Kühlung. Das heißt, auch hier ist elektrische Energie zum Antrieb des Verdichters nötig und schmälert so die Effizienz.

Absorption:

Bei der Absorption übernimmt eine thermische Quelle statt eines mechanischen Verdichters den Prozess. Ein sehr gutes System mit hoher Effizienz, aber mit einigen zu beachtenden Eckpunkten: Die Quelle benötigt zum Starten des Prozesses eine hohe Mindesttemperatur (bei Absorption meist ab 90°C Vorlauftemperatur) und muss in allen Jahreszeiten zur Verfügung stehen. Der Prozess bedarf einer kontinuierlichen Last (keine Lastschwankungen, Teillastbetrieb ist unmöglich) und seine Rückkühlung ist aufwendiger und platzintensiver als bei der mechanischen Kühlung. Um eine konstante Vorlauftemperatur zu gewährleisten, muss die Quelle in der Nähe des Rechenzentrums positioniert werden.

Freie Kühlung (direkt oder indirekt):

In unseren Breiten empfiehlt sich der Einsatz der sogenannten freien Kühlung über einen langen Zeitraum. Im Vergleich zur mechanischen Kühlung wird hier nur ein vergleichsweise geringer Anteil an Elektroenergie aufgewendet. Die Energieeffizienz dieser Methode ist im Vergleich mit den konventionellen Systemen unschlagbar, weshalb hier auch die Zukunft der RZ-Kühlung liegt. Allerdings erfordert die Wahl der Klimatisierungsart (direkte / indirekte Kühlung) und ihre Integration in bestehende Rechenzentren einige Vorüberlegungen, unter anderem zu Sicherheitsaspekten, Platzbedarf, Zu- und Abluftführung, Feuchteregelung und Umwelteinflüssen.

Die Herausforderung meistern

Jede der genannten Alternativen birgt Schwierigkeiten in sich, weshalb Rechenzentrumsbetreiber seit Inkrafttreten der F-Gase-Verordnung am 01.01.2015 oft unruhig schlafen. Hinzu kommt, dass das Umweltbundesamt mit der Initiative „Blauer Engel für das RZ“ die Umrüstung sogar rückwirkend zum 01.01.2013 ansetzt. Dies beeinflusst möglicherweise die Auftragsvergabe an RZ-Unternehmen, welche Ihre Flächen vermieten. Potenzielle öffentliche Auftraggeber sind angehalten, ihre Dienste künftig nur noch an Unternehmen zu vergeben, welche die Kriterien des Blauen Engel erfüllen.

Doch auch die Umsetzung der F-Gase-Verordnung birgt einige Herausforderungen. Bestehende Rechenzentren müssen eine Ablösung bzw. einen Austausch ihrer Kältesysteme in Erwägung ziehen. Diese sind allerdings mit teilweise sehr hohen Investitionskosten verbunden und haben einen Lebenszyklus von durchschnittlich nur 15 Jahren – da will jede Entscheidung wohlüberlegt sein. Für den Austausch muss außerdem Redundanz geschaffen werden, denn Systeme lassen sich häufig nicht 1:1 ersetzen. Anpassungen werden notwendig und diese müssen natürlich in der Verfügbarkeit des Rechenzentrums berücksichtigt werden. Beim Neubau eines Rechenzentrums muss bereits jetzt auf die F-Gase Verordnung geachtet werden, da die Lebensdauer von Kältemaschinen etwa 15 Jahre beträgt.

All diese Anforderungen und Betrachtungen stellen den RZ-Leiter bzw. -Verantwortlichen vor eine Herausforderung, welche er neben seiner alltäglichen Arbeit berücksichtigen muss. Die beste Lösung ist es daher, auf die neutrale Beratung externer Spezialisten zurückzugreifen. Hier sind nun die RZ-Planer und -Berater gefordert, ihre Expertise in den Ring zu werfen und auf den Kunden zugeschnittene Szenarien und Optimierungen zu entwickeln.

Von Thomas Fischer, dc-ce RZ-Beratung GmbH & Co. KG