nach oben

News

KPI4DCE – Ressourceneffizienz von Rechenzentren ganzheitlich bewerten
12. April 2016 -

Natur- und Klimaschutz zählen zu den größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Auch der Einfluss der IT wird bei anhaltender Durchdringung jedweder Geschäfts- und Lebensbereiche kontrovers diskutiert. Unbestritten ist, dass IT helfen kann, die täglichen Geschäfts- und Produktionsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten. Zugleich schlägt sich die stärkere IT-Nutzung selbst aber auch in einem steigenden Energie- und Rohstoffverbrauch nieder.

Vor allem in Rechenzentren (RZ) erhöhen sich bei wachsender Nachfrage nach Rechenleistung und Speicherplatz die Gerätebestände und die Flächen- und Energiebedarfe. Eine Studie des Borderstep Institute im Auftrag des BITKOM e.V. geht von einer Zunahme der IT-Flächen in deutschen Rechenzentren von 2003 bis zum Jahr 2013 um 42 % aus. Eine vom Fraunhofer Institute in Zusammenarbeit mit dem Borderstep Institute im Auftrag des BMWI durchgeführte Untersuchung ergab einen Anstieg des Stromverbrauchs von Rechenzentren in Deutschland auf 12 TWh in 2015.

Ein Grund ist, dass sich viele Betreiber immer noch auf die Verfügbarkeit, Sicherheit und Performanz konzentrieren. Dabei ist der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen bei stark wachsenden Branchen besonders wichtig und ein effizienter Umgang mit Energie und Rohstoffen durch verbesserte Wirkungsgrade essentiell. Die gute Nachricht: Es gibt viele Möglichkeiten, die ökologische Bilanz von Rechenzentren zu verbessern. Der erste Schritt ist, mit Hilfe von Kennzahlen und Indikatoren den Istzustand zu erfassen.

BILD 1

Jedes RZ durchläuft von der „Wiege“ bis zum „Grabe“ verschiedene Lebenszyklusphasen mit Einfluss auf die Ressourceneffizienz. Üblich ist eine Unterteilung in Herstellung, Nutzung und Entsorgung, die wiederum in weitere Teilphasen differenziert werden können (Transporte sind nicht abgebildet). Über das Recycling kann nach der Außerbetriebnahme idealerweise eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft etabliert werden. Hiervon ist die Praxis aber noch weit entfernt.

Erste Ansätze zur Bewertung der Ressourceneffizienz gibt es bereits, einige sind in der Praxis schon etabliert. Leider berücksichtigen die bisherigen Ansätze nur die Nutzungsphase. Der Aufwand zur Herstellung und Entsorgung von Anlagen und Geräten wird nicht erfasst. Zudem sind viele der Kennzahlen und Indikatoren nicht Output-orientiert oder beziehen sich nur auf einen Teilbereich des Rechenzentrums bzw. eine bestimmte Ressource. Ihre Aussagekraft ist somit beschränkt. Auch sind die Messmethoden und Datengrundlagen oft noch nicht ausgereift.

Vor diesem Hintergrund hat das Umweltbundesamt im Rahmen des Forschungsvorhabens KPI4DCE (Key Performance Indicators for Data Center Efficiency) das Business Engineering Institute St. Gallen, die proRZ Rechenzentrumsbau GmbH und das Ökoinstitut beauftragt, ein praktikables Kennzahlensystem zu entwickeln, das die Ressourceneffizienz eines Rechenzentrums ganzheitlich und richtungssicher erfasst und dabei die IT-Leistung miteinbezieht.

Existierende Ansätze erheben und Lücken identifizierten

Kaum bekannt ist, dass die Entwicklung von Kennzahlen zur ökologischen Bewertung von Rechenzentren auf das letzte Jahrtausend zurückgeht. Bereits Ende der 1980er Jahre begannen Betreiber in der Schweiz, die Energieeffizienz der Gebäudetechnik von Rechenzentren mit dem Indikator K zu bewerten. K als das Verhältnis des Energiebedarfs der IT und des Gesamtenergiebedarfs des Rechenzentrums wurde zweimal im Jahr über je eine Stunde gemessen und ist damit der Vorläufer der heute vieldiskutierten Power Usage Effectives (PUE).

Über die Jahre sind viele weitere Kennzahlen, Indikatoren und Methoden dazugekommen. Hierzu zählen Energie-Performance-Benchmarks für IT-Systeme wie der SPECPower_ssj2008 und Umwelt Rating Systeme, Zertifizierungen und Labels für Rechenzentren wie der Code of Coduct, der Blaue Engel und der Energy Star. Die bestehen Ansätze haben dabei alle ihre ureigenen Stärken und Schwächen und können helfen, die Ressourceneffizienz eines Rechenzentrums zu beurteilen. Jedoch genügt bisher keiner vollständig den drei Anforderungen Praktikabilität, Richtungssicherheit und Ganzheitlichkeit der Bewertung.

Um eine Ausgangsbasis für die Entwicklung eines derartigen Ansatzes zu schaffen, werden im Projekt KPI4DCE zunächst existierende Kennzahlen, Indikatoren und Methoden in Form von kompakten Steckbriefen aufgenommen, systematisch deren Vor- und Nachteile mittels Bewertungskriterien herausgearbeitet und eine Übersicht zu den Lücken erstellt. Diese Vorarbeiten dienen der Identifikation der für eine Weiterentwicklung in Frage kommenden Ansätze und der Priorisierung von notwendigen Entwicklungsarbeiten.

Ressourceneffizienz ganzheitlich bewerten

Eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung des Kennzahlensystems ist die Ganzheitlichkeit der Bewertung. Im Projekt soll ein Kennzahlensystem entwickelt werden, das alle Teilbereiche eines Rechenzentrums, also die Gebäudetechnik und die IT berücksichtigt. Dabei ist es allem voran notwendig, Nutzenindikatoren für die IT zu definieren. Es muss abgewogen werden, wie die erbrachte IT-Leistung rechenzentrumsübergreifend gemessen werden kann und welche Vereinfachungen zulässig sind, um trotzdem eine hohe Aussagekraft zu gewährleisten.

Auf der Inputseite soll nicht nur der Energieaufwand betrachtet werden, sondern in die Bewertung die Inanspruchnahme verschiedener Ressourcen einfließen. Vor allem im Bereich der IT besteht ein Zielkonflikt zwischen Energie- und Materialeffizienz. Neuere IT ist aufgrund der fortlaufenden Miniaturisierung (Moores Gesetz) bei sonst gleichen Rahmenparametern stets energieeffizienter. Aus diesem Grund sind zur Verbesserung der Energieeffizienz im Betrieb möglichst kurze Erneuerungszyklen am günstigsten.

BILD 2

Die ganzheitliche Bewertung der Ressourceneffizienz eines Rechenzentrums erfordert die Berücksichtigung der Inanspruchnahme aller natürlichen Ressourcen über den Lebenszyklus.

Dem steht aber der Energieaufwand der Herstellung und Entsorgung gegenüber. Aus energetischer Sicht ist daher immer eine Mindestnutzungsdauer ratsam. Zum anderen können viele Rohstoffe (noch) nicht wirtschaftlich recycelt werden und sind somit nach der Nutzung verloren. Unter dem Aspekt der Materialeffizienz ist demnach eine möglichst lange Betriebsphase optimal.

Auch im Bereich der Gebäudetechnik müssen Abwägungen getroffen werden. Bei der Rückkühlung kann der Einsatz von Energie durch die Nutzung von Wasser reduziert werden (offener Kühlturm vs. Trockenkühler). Ebenso kann die Verwendung klimaschädlicher Kältemittel die ökologische Bilanz verhageln. Besonders ressourceneffizient ist der Verzicht auf herkömmliche Rückkühlung und die Nutzung der Abwärme zum Heizen. Das Kennzahlensystem soll all diese Aspekte berücksichtigen und dadurch eine umfassende Bewertung der Ressourceneffizienz ermöglichen.

Die Anwendbarkeit und Aussagekraft überprüfen

Neben der Ganzheitlichkeit soll die Praktikabilität der Anwendung und die Richtungssicherheit der Aussagen des Kennzahlensystems überprüft werden. Denn der Nutzen hängt maßgeblich von der technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit und den ableitbaren Schlussfolgerungen ab. Trotz aller Kritik an der PUE lässt sich ihre Verbreitung schließlich vor allem damit begründen, dass die Kennzahl mit vertretbarem Aufwand in der Praxis messbar ist.

Zur Überprüfung werden für verschiedene Arten von Rechenzentren (Co-Location, Corporate, Hosting) die Hürden und Hemmnisse der Datenerhebung (Messintervalle, Schnittstellen etc.) identifiziert. Hierbei wird darauf geachtet werden, dass die Daten Messwerte für verschiedene Ausbaustufen und Lastzustände umfassen, um die Ausprägungen der Kennzahlen und die Wirkung der Berechnungsmethoden bei hohen und geringen Auslastungen gegenüber stellen zu können.

In diesem Zusammenhang wird durch Sensitivitätsanalysen die Richtungssicherheit der Indikatoren überprüft. Dazu werden modellbasiert die Auswirkungen unterschiedlicher Betriebsweisen, Anlagenkonfigurationen und Systemzustände auf die Kennzahlen untersucht. Auch soll die Robustheit gegenüber Datenunsicherheiten (z.B. bezogen auf den Einfluss von genutzten Sekundärdaten) und äußeren Einflussgrößen (z.B. des Emissionsfaktors der Energie, höhere Außentemperaturen) erforscht, und das Kennzahlensystem ggfs. iterativ angepasst werden.

Die Normung unterstützen und den Blauen Engel weiterentwickeln

An der Vereinheitlichung und Weiterentwicklung von Kennzahlen und Indikatoren arbeiten bereits viele deutsche und internationale Akteure. Das Projekt KPI4DCE  unterstützt diese Bemühungen, indem Zwischenergebnisse zeitnah aufbereitet und in die Harmonisierungsdiskussion und die aktuellen Normungsaktivitäten eingespeist werden sollen. Insbesondere werden der Austausch und die Zusammenarbeit mit den Normungsgremien der ISO 30134 und EN 50600 angestrebt.

Nicht zuletzt sollen die Ergebnisse Einzug in die Vergabegrundlage des Blauen Engel RAL UZ 161 halten. Bei der Verbreitung der Ergebnisse werden die Projektpartner durch einen Begleitkreis unterstützt, der Vertreter von führenden Herstellern, IT-Dienstleistern, Beratungen und Forschungsinstituten umfasst. Dieser wird erstmalig am Mittelstandstag der future thinking zusammenkommen und über Zwischenergebnisse und Lösungsansätze beraten.

Fazit

Die Verbesserung der Ressourceneffizienz von Rechenzentren ist bei der anhaltenden Wachstumsdynamik der Branche zwingend notwendig. Mit der Verankerung des Themas im nationalen Ressourceneffizienzprogramm ProgRess II wird auch die bundespolitische Bedeutung ersichtlich. Die Basis der Verbesserung ist die richtungssichere und ganzheitliche Erfassung und Bewertung des Istzustandes mittels Kennzahlen. Das Forschungsvorhaben KPI4DCE wird in Bezug auf deren Entwicklung und Verbreitung in der Branche einen maßgeblichen Beitrag leisten.